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FINE Das Weinmagazin 55. Ausgabe - 04/2021

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Das Hauptthema dieser Ausgabe ist: BORDEAUX Château Figeac: Eine Legende im Aufbruch BORDEAUX Château Le Dôme: Mit dem Ufo aufs Kalkplateau BORDEAUX Château Beauséjour: Die Rückkehr der Erbin Weitere Themen dieser Ausgabe: CHARTA Die FINE-Weinbewertung RHEINHESSEN Hans Oliver Spanier: Glückskind und Visionär DAS GROSSE DUTZEND Ein König der Portweine: Fonseca Vintage Port KATALONIEN Familia Torres: Fünf Generationen Exzellenz KATALONIEN Umweltschutz bei Torres: Die grüne Revolution KATALONIEN Das filmreife Leben des Weinpioniers Jean Leon RIOJA Bodegas Campillo: Der Palast des Don Julio DIE PIGOTT-KOLUMNE Die Last des eigenen Erfolgs: Umdenken in Burgund TOSKANA Castello di Brolio: An der Wiege der Chianti-Formel WORTWECHSEL Warum der Terroir-Kult ein Missverständnis ist TASTING Große Reserven: Österreichs höchste Sektklasse GENIESSEN Fleischloses Fest mit edlen Weinen? Aber klar! CHAMPAGNE Die 100 wichtigsten Champagner, Teil 3 WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase im »Alten Haferkasten« in Neu-Isenburg WEIN & ZEIT Hugh Johnson und das deutsche Weinwunder TASTING Ten Years After: Deutsche Rieslinge von 2011 PORTRÄT Hans Onstein: Kein Sammler, sondern ein Teiler PROVENCE Château Galoupet: Bio-Wende für den Rosé ABGANG Besinnung und Neuanfang 144 Seiten | zahlr. Farbfotos 24,5 × 29,5 cm | Magazin/Paperback € 15,00 (D) ISBN: 978-3-96033-115-5

Das

Das Weingut Jean Leon verströmt mehr als nur einen Hauch von Kalifornien: ein Besucherzentrum, das mit seiner bungalowartigen Architektur und dem gewellten Dach an das berühmte »Wave House« von 1955 in Palm Desert erinnert, ein Mercedes Cabrio mit Nummernschild aus dem »Golden State« in der Auffahrt, Regiestühle mit Filmklappen im Innern neben lebensgroßen Aufstellern von Frank Sinatra, Paul Newman und Marilyn Monroe. Zugleich hat das Anwesen mit seiner kleinen Kunstgalerie, den historischen Vitrinen und dem Shop am Ausgang etwas von einem Museum. »Jean Leon: a Man, a Time, a Wine«, lautet das Leitmotiv der Inszenierung, und es macht klar: Nur wer den Menschen Jean Leon und dessen Zeit versteht, versteht auch Jean Leon, den Wein. Rückblende, ein Abend im Sommer 1955. In der »Villa Capri«, einem der angesagtesten Restaurants von Los Angeles, sprachen – so erzählt es jedenfalls Martí Gironell in der preisgekrönten dokumentarischen Romanbiografie »Stars in His Eyes« – die drei Freunde Jean, Jimmy und Ronnie über ihre Träume. Jimmy, mit 24 der jüngste von ihnen, stand vor den Dreharbeiten seines dritten Films, wollte aber mit dem zwei Jahre älteren Jean in Kürze auch ein gemeinsames Restaurant aufmachen. Der wiederum sprach schon davon, eines Tages seinen eigenen Wein zu produzieren. Für Ronnie, mit 44 Jahren der Senior der drei und ein landesweit bekannter Fernsehmoderator, war beides bereits ausgemacht: »Klare Sache, Jean! Für dich der große Wein, für Jimmy eine erfolgreiche Karriere und für mich … Mensch, vielleicht werde ich einmal Präsident der Vereinigten Staaten … Aber eins verspreche ich dir, Jean: Wenn unsere Träume wahr werden, stoßen wir auf unseren Erfolg mit deinem Wein an.« Wenige Wochen später sollte James Dean am Steuer seines Porsche bei einem Unfall sterben, aber am 20. Januar 1981 hielt Ronald Reagan sein Versprechen, als er zum Abendessen seiner Amtseinführung im Weißen Haus 1980er Chardonnay und 1975er Cabernet Sauvignon von Jean Leon servieren ließ. Vom Tellerwäscher zum Millionär: Hier stimmt das Klischee wirklich Diese Ehrung machte Jean Leon endgültig zur Verkörperung des amerikanischen Traums. Denn vor seiner Zeit als »König von Beverly Hills«, wie Sebastián Moreno seine Leon-Biografie betitelt hat, als Weingutsbesitzer und einer der meistgefeierten Gastronomen der Welt, war er buchstäblich den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär gegangen. Ángel Ceferino Carrión Madrazo, wie Jean Leon ursprünglich hieß, war mit seiner elfköpfigen Familie 1941 nach einem Großbrand aus dem nordspanischen Santander nach Barcelona gezogen; noch im selben Jahr verlor er seinen Vater und den älteren Bruder. Sechs Jahre später verließ der 19-Jährige das graue, perspektivlose Spanien des Diktators Franco, ohne der Familie Lebewohl zu sagen, und machte sich zu Fuß über die Pyrenäen nach Frankreich auf. Nach zahlreichen Versuchen, Amerika zu erreichen, gelang ihm 1949 von Le Havre aus die Überfahrt. In New York half er zunächst im Lokal eines Onkels in der Bronx aus, erwarb eine Taxifahrer-Lizenz (unter deren Nummer 3055 heute die Basisweine von Jean Leon vermarktet werden) und nahm den Namen Justo Ramón Léon an. Fasziniert vom Kino – und wohl auch als Flucht vor dem drohenden Wehrdienst – kaufte er sich im Dezember 1949 ein One-Way-Ticket und setzte sich in den Bus nach Los Angeles. Die folgenden Jahre, von 1950 bis 1962, tragen die Züge eines modernen Märchens, durchzogen von Motiven eines Film noir. Dabei stand am Beginn dieses Abschnitts zunächst ein Scheitern: das als Schauspieler. Immerhin wurde der junge Mann, nun unter dem Namen Jean Leon, Teil einer Clique, deren Mitglieder alle zu Stars werden sollten – Natalie Wood, Dennis Hopper und vor allem James Dean, bald sein engster Freund. Zur gleichen Zeit ergatterte er einen Kellnerjob im Hollywood-Hotspot »Villa Capri«, der seinem Idol Frank Sinatra 70 FINE 4 | 2021 KATALONIEN

gehörte – wie er das schaffe, darüber gibt es, wie über manche Episoden im Leben von Jean Leon, unterschiedliche Versionen. Sicher ist, dass er im November 1954 Sinatra und der Baseball- Legende Joe DiMaggio ein falsches Alibi gab, um sie vor einer Gefängnis strafe zu bewahren. Von da an gehörte Leon zum inneren Kreis von Frank Sinatra, um den sich Stars, Politiker und Mafiosi scharten wie die sprichwörtlichen Motten ums Licht. Zu Sinatras nicht geringem Verdruss machte sich Jean Leon trotz des Unfalltodes seines Freundes James Dean selbstständig. Am 1. April 1956 eröffnete er das Restaurant »La Scala« am Santa Monica Boulevard in Beverly Hills, nahe der Luxusmeile Rodeo Drive – mit feinem Gespür für den Zeitgeist, denn in diesen Jahren sollte sich das gesellschaftliche Leben der Filmfabrik von ihrem historischen Zentrum um den Hollywood Boulevard Richtung Westen verlagern. Auch die vom (aus Galicien stammenden) Küchenchef Emilio Nuñez mit Hingabe gepflegte italienische Küche traf den Nerv der Zeit: Es war das erste Restaurant in Los Angeles mit hausgemachten Nudeln, das Olivenöl stammte aus Ligurien, der Büffelmozzarella wurde mit Scandinavian Air eingeflogen. Die italienische Regierung sollte das Restaurant später als »besten Botschafter der italienischen Küche in den USA« auszeichnen. privaten, absolut diskreten Rückzugsort mit Fotografieverbot. Kein Wunder, dass John F. Kennedy das Lokal als Basis für seine Aufenthalte in Los Angeles nutzte und fünf weitere US- Präsidenten im »La Scala« dinierten. Längst war Jean Leon selbst berühmt und galt als »Star der Stars«. Doch trotz der unzähligen Anekdoten um ihn: Schweigen war sein wichtigstes Kapital. Erst 2002 sollte etwa enthüllt werden, dass Leon am späten Abend des 4. August 1962 das Essen für Marilyn Monroe gebracht und sie in ihrer Todesnacht mit Robert Kennedy angetroffen hatte. Mit der Monroe starb zugleich das klassische Hollywood – und wieder hatte Jean Leon das Bedürfnis, etwas Neues anzufangen. 1962 lud ihn seine enge Freundin Elizabeth Taylor zu den letzten Dreharbeiten für »Cleopatra« in der römischen Cinecittà ein. Leon nutzte die Europareise nicht nur, um Liz Taylor zu treffen und seiner Frau, die wie fast alle in seiner Umgebung glaubte, er sei Franzose, seine spanische Herkunft zu gestehen, Bei Leon gab’s Tony-Curtis-Wurst und Dean-Martin-Hähnchen Seinen enormen Erfolg verdankte das »La Scala« aber nicht nur dem Essen. Vom Tag seiner Gründung an war es ein In- Lokal von Hollywood mit Stammgästen wie Warren Beatty, Paul Newman, Marlon Brando oder Zsa Zsa Gabor, nach denen Jean Leon viele Gerichte auf seiner Karte benannte, etwa »Pollo à la Dean Martin« oder »Italian Sausage Tony Curtis«. In einer Zeit, zu der Restaurantbesitzer Bestechungsgeld von Journalisten erhielten, wenn sie ihnen Insidergeschichten über Hollywoodstars lieferten, schuf Jean Leon für diese einen halb KATALONIEN FINE 4 | 2021 71

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