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FINE Das Weinmagazin - 04/2010

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: SÜSSWEIN-IKONEN

Die Geschichte mit Earl

Die Geschichte mit Earl Jones ging mir vor ein paar Monaten wieder durch den Kopf, als sich die den Fluss entlang wabernden Gerüchte, Günther Jauch übernehme ein Weingut an der Saar, zur Realität verdichteten. Günther Jauch, der Fernsehjournalist, Mister Quiz persönlich, der in Umfragen, was Beliebtheit und Zutrauen angeht, wohl angesehenste Deutsche, der, wie man in den Gazetten las, Wunschschwiegersohn der Republik! Was hat denn jetzt den geritten Da kam es sehr gut zupass, dass die Winzerin Heidi Kegel und ihr Mann wie jedes Jahr zur Jungweinprobe ins Weingut »von Othegraven« eingeladen hatten, jenes Weingut also, das die Jauchs übernehmen wollten. Es ist durchaus eine Auszeichnung, zu dieser Veranstaltung eingeladen zu sein, wenn man, von der Kegelschen Gastfreundschaft überwältigt, in großer Runde mit der Winzerelite der Saar steht und seine Weine präsentieren darf. Und dieses Mal hatte das Ganze für meinen Kellermeister Franz Lenz und mich noch den Kick, dass die Jauchs mit dabei sein sollten. Also los von Serrig nach Kanzem, wo am Fuß des steilen Altenbergs das schöne Gutsgebäude mit seinem weitläufigen Park und altem Baumbestand liegt. Heidi Kegel, die das Weingut seit den neunziger Jahren erfolgreich geführt hat, erklärte mit einem kleinen Kloß im Hals, wie froh sie sei, die Jauchs für die Aufgabe gewonnen zu haben, denn sie seien verwandt und das Weingut bliebe so weiter in der Familie. Das war also geklärt. Danach probierten wir unter der wie immer kundigen und anregenden Leitung von Klaus Piemont den großartigen Jahrgang 2009, und gerade was die Othegravschen Weine angeht, konnte man nur ein Wort sagen: Chapeau! Günther Jauch und seine Frau Dorothea waren während der Probe durchaus zurückgenommen, erklärten, sie wollten unbedingt die Stammbesatzung des Guts mit Kellermeister Andreas Barth dafür gewinnen, unter ihrer Leitung weiterzuarbeiten. Ich verabschiedete mich mit einer Gegeneinladung und dem Eindruck, die Jauchs könnten durchaus beseelt sein von der Passion für die Causa Wein. 20 F I N E 4 / 2010

Weinbau als Familiensache: Dorothea und Günther Jauch stellen sich der Verantwortung, in Kanzem ein Vermächtnis zu wahren. Als wir dann im Sommer im Othegravschen Park erneut zusammen saßen, während im Gutshof ein Großes Gewächs 2009 gefüllt wurde und an den Rebstöcken die Trauben des neuen Jahrgangs in den Wein gingen, waren die Vorstellungen des Ehepaars Jauch schon deutlich konkreter. Günther Jauch erinnert sich an unerwünschte Ratgeber und deren Vorschlag, einfach dick »Jauch« auf das Etikett der Weinflaschen zu schreiben, damit wäre das Marketing doch erledigt. »Ja, und dann am besten noch dein Foto dazu«, wendet sich Dorothea Jauch an ihren Mann, und beide lachen herzlich bei dieser Vorstellung. Nein, laut mögen die Jauchs es nicht. Nicht in Potsdam an der Havel und auch nicht hier in Kanzem an der Saar, wo sie nun mitten in dem Prozess waren, ihr Weingut »von Othegraven« zu übernehmen. Natürlich müsse man auch über das Marketing nachdenken und neue Wege gehen; einen ersten Niederschlag davon sieht man im neuen, aufgeräumten und grafisch frischen Etikett der Othegravschen Weine. Aber alles im Rahmen dessen, was von Othegraven immer gewesen sei, nämlich ein »diskretes Weingut«. Plakativ modisch scheide aus, wie es auch keine einer Zeitmode geschuldete Entscheidung gewesen sei, ein Weingut zu kaufen. Die Stracks, Coppolas oder Depardieus begannen etwas Neues, getrieben möglicherweise von einer Leidenschaft oder aber auch nur einem Zeitgeist. Bei den Jauchs geht es hingegen, das wird im Gespräch rasch sehr deutlich, nicht darum, »wer wird (alles) Winzer«, sondern um eine Familiensaga. Ein obeliskartiger Gedenkstein am Rand des Parks zwischen gepflegten Blumen erinnert an Jauchs vielfachen Ur-Großvater Emmerich Grach, der das Weingut 1805 kaufte. Seit mehr als zweihundert Jahren also ist es im Familienbesitz. In den vergangenen Jahren war es immer wieder in Gefahr, aus der Familie heraus verkauft zu werden. Zuerst war es ein Gerücht, das den Jauchs zu Ohren kam, und das saß bei Günther Jauch quer. Sicher war viel Zeit vergangen seit der Kindheit und den Schulferien an der Saar. Der berufliche Werdegang führte Jauch ganz nach oben in der bundesdeutschen Medienwelt und ganz weit weg von Kanzem. Aber da war eben noch die Erinnerung an die Kinder- und Jugendtage auf von Othegraven, Erinnerungen an den Großonkel Max und Tante Maria von Othegraven, an die feudale Weingutswelt mit Park und der im Hintergrund dräuenden Steilstlage Kanzemer Altenberg. Erinnerungen, die im scharfen Kontrast standen zum Berliner Kiez, wo Jauch aufwuchs, Erinnerungen, die sich im Langzeitgedächtnis eingenistet hatten. Mit einem Brief an Heidi Kegel nahmen die Jauchs das Heft in die Hand und bekundeten ihr Interesse, sollte das Gut wirklich verkauft werden. Von da an gingen mehr als drei Jahre ins Land, bis das Gut rechtsgültig übertragen war, genug Zeit also für viele Gedanken und Abwägungen, genug Zeit den »Riesenschritt ins Fremde« zu bedenken, »in ein Abenteuer, das nichts mit dem zu tun hat, F I N E S a a r 21

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