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FINE Das Weinmagazin - 03/2011

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: CHATEAU HAUT-BRION

Die lange Geschichte von

Die lange Geschichte von Château Haut- Brion begann im Jahr 1533, als Jean de Pontac das Herrschaftshaus von dem Basken Jean Duhalde kaufte und 1549 mit dem Bau des heutigen Schlosses begann. Jean de Pontac war insgesamt drei Mal verheiratet und hatte aus seinen beiden ersten Ehen fünfzehn Kinder. Das letzte Mal heiratete er im Alter von sechsundsiebzig Jahren und verstarb 1589 in dem für damalige Verhältnisse geradezu biblischen Alter von einhundertundein Jahren! In seinen letzten Tagen hatte er den Schwestern des Karmeliterordens fünf Hektar Wein berge geschenkt, wofür die Damen jeden Tag nach Haut-Brion gekommen sein sollen, um für seinen Aufstieg ins Paradies zu beten. Nach der Revolution kamen diese Weinberge in den Besitz der Familie Chantecaille, woraus später Château Les Carmes Haut-Brion hervorgegangen ist. Etwa hundert Jahre nach der Gutsgründung wurde Arnaud III. de Pontac 1649 Besitzer von Haut-Brion. Mit seinem Aufstieg zum ersten Präsidenten am Gerichtshof von Bordeaux erreichte das gesellschaftliche Ansehen der Pontacs seinen Höhepunkt. Von ihm wurden Konservierungsmaßnahmen entwickelt, etwa im Zusammenhang mit dem Auffüllen der Fässer und dem Abstechen, wodurch seine Weine besser reifen konnten. Nach mehreren Eigentümerwechseln kam Haut-Brion 1801 für kurze Zeit in den Besitz des bekannten Staatsmanns Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord. Der spätere Außen minister Napoleons I. verkaufte das Gut aber schon drei Jahre später an einen Bankier, der es dann an einen Weinhändler weitergab. Als der aus der Bretagne stammende Bankier Joseph-Eugène Larrieu den Großteil von Haut-Brion im Jahr 1836 ersteigerte, begann eine wichtige Epoche, die später den Ausschlag dafür gab, dass das Château in die erste Kategorie der Spitzenweingüter der Gironde aufgenommen wurde. Als Larrieus Enkel Eugène 16 F I N E 3 / 2011

Löwen für Extravaganz: Gelassen und unbestechlich wie die steinerne Raubkatze im Hof des Châteaus wachten Vater Jean-Bernard Delmas und Sohn Jean-Philippe über den einzigartigen Stil von Haut-Brion. Heute führt allein Jean-Philippe als Gutsverwalter einfühlsam Regie. 1896 kinderlos starb, versuchten mehrere Neffen erfolglos, Haut-Brion aus der vor allem von der Reblausseuche verurachten Krise herauszuführen. Alles wendete sich erst 1935 zum Besseren, als der amerikanische Bankier Clarence Dillon das Gut kaufte, in dessen Familie sich Haut-Brion bis zum heutigen Tag befindet. Dillons Sohn Douglas war amerikanischer Botschafter in Paris und später Finanzminister unter Präsident John F. Kennedy. Als er Paris im Februar 1957 verließ, blieb seine Tochter Joan in Frankreich zurück und heiratete zehn Jahre später Prinz Charles von Luxemburg; ihr Sohn Robert übernahm 2008 den Vorsitz der Geschäftsführung von seiner Mutter. Ein bedeutender Schritt war im Jahr 1983 der Kauf des Nachbarweinguts La Mission Haut-Brion, das – obwohl gemeinsam mit Haut-Brion geführt – bis heute seine eigene Stilistik bewahrt. Bereits beim Kauf von Haut-Brion konnten sich die Dillons auf die treuen Dienste der Familie Delmas verlassen: Georges Delmas war dort seit 1923 als Gutsverwalter tätig. Ihm folgte 1961 sein Sohn Jean-Bernard, der Ende des Jahres 2003 seinen Abschied nahm, nicht ohne zuvor seinen Sohn Jean-Philippe sehr sorgfältig in die Nachfolge einzuarbeiten. Weil Besuche auf Château Haut-Brion wegen umfangreicher Umbaumaßnahmen nicht möglich sind, treffe ich Jean-Philippe Delmas im vergangenen Juni auf Château La Mission Haut-Brion zum Interview. Wir durchschreiten den wunderschön restaurierten Innenhof der alten Abtei und setzen uns in einen mit schweren Möbeln ausstaffierten Salon. Delmas berichtet von seinem Oenologiestudium an der Universität in Bordeaux und seinen Lehr- und Wanderjahren, die ihn unter anderem zu Moët & Chandon in Epernay und Far Niente im Napa Valley führten. Zum guten Schluss folgte noch ein Praktikum in der Provence. »Ich wollte alle möglichen Weintypen kennen lernen,« sagt der smarte Anfangvierziger und ergänzt leicht schmunzelnd, dass es vielleicht am schwierigsten sei, einen sehr guten Roséwein zu machen. Ich will wissen, wie sich die immerhin neun Jahre währende Zusammen arbeit mit seinem durchaus für sein ausgeprägtes Ego bekannten Vater darstellte »Am Anfang war es völlig unproblematisch, da ich drei Monate mit der Verkaufsmannschaft von Châteaux & Estates in Amerika unterwegs war, um Kunden zu besuchen. Später musste ich allerdings gut zuhören, weil mein Vater nie viel aufgeschrieben hat. Langweilig ist es jedenfalls nie gewesen!« Das ist es für den unermüdlichen Vater Delmas übrigens bis zum heutigen Tag nicht. Nach seinem Ausscheiden bei Haut-Brion war er einige Zeit Berater von Château Haut-Bailly in Léo gnan, seit 2006 ist der mittlerweile Sechsundsiebzigjährige nun Verwalter von Château Montrose in Saint-Estèphe, also just dort, wo Jean-Bernard Delmas’ Tante einst im Keller gearbeitet hatte. Und wie sieht es mit den Aussichten für eine vierte Delmas-Generation auf Haut-Brion aus »Nichts ist unmöglich,« sagt Jean-Philippe Delmas, »aber die Beantwortung dieser delikaten Frage wird in jedem Fall noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, da meine Söhne Maxime und Adrien erst sechs und vier Jahre alt sind!« Wir wechseln das Thema. Ich will wissen, wieso Château Haut-Brion bei der Klassifikation von 1855 als einziges Rotweingut außerhalb des Médoc Berücksichtigung fand »Die Klassifikation von F I N E B o r d e a u x 17

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