Reiner Wein »Nicht geeignet zum Trocknen von Haustieren« Unsere Kolumnistin Anne Zielke hat ihren Zeigefinger frisch manikürt, um ihn warnend zu erheben. Leukophobie nennt man die Angst vor der Farbe Weiß. Ein Leuko phobiker erschrickt zum Beispiel, wenn man ihm ein Vanilleeis mit Sahne hinstellt. Oder ihn vor ein weißes, leeres Blatt Papier setzt (das funktioniert übrigens auch sehr gut bei Schriftstellern). Ich weiß zwar nicht, wie hoch die Dunkelziffer der Leukophobiker ist, aber ich kann mir vorstellen, dass sich die große Zahl der Rotweintrinker in Deutschland darauf zurückführen lässt. Warum Sie haben Angst vor Weißwein. Zu Recht. Haben Sie schon mal ein Glas Weißwein auf einer Vernissage getrunken Oder an einem Messestand Oder auf einem fünfzigsten Firmen jubiläum Eigentlich nimmt man der Hostess das Glas nur ab, damit Ruhe ist. Denn der klassische Vernissage-Messe-Jubiläums- Weißwein schmeckt meistens so, dass man das Weintrinken gleich ganz aufgeben will: zu schlecht, zu sauer. Schon der Anblick führt zu Sodbrennen, im besten Fall. Es hat also durchaus seinen Sinn, wenn man, wie in Amerika üblich, seinen Alkohol in der Öffentlichkeit in braunen Papiertüten verbergen muss. Dann bekommt man vielleicht seine Pawlowschen Reflexe besser in den Griff. Was fehlt, ist noch eine Warnung. Ich halte viel von Warnungen. Neben der Badewanne meiner Eltern hing lange Zeit ein amerikanischer Aufkleber, der mir schon mehr als einmal das Leben gerettet hat, wenn ich beim Einseifen Lust auf einen Kopfsprung bekam: »Do not jump! Do not dive! Watch all kids!« Ganz zu schweigen von all den Haustieren, die nur dank des berühmten Aufklebers überlebt haben, der angeblich zur Grundausstattung amerikanischer Mikrowellengeräte gehört: »Nicht geeignet zum Trocknen von Haustieren«. Die Amerikaner sind, was das Warnen und Alarmieren angeht, viel weiter als wir. Man müsste auch mal vor dem Leben an sich warnen. Dass es mit dem Tod endet, wird immer unterschätzt. Immerhin wird jetzt wenigstens auf Zigarettenschachteln mit noch deutlicheren Bildern gedroht, die zeigen, was das Rauchen alles anrichten kann. Es ist zum Teil so drastisch, was man da sehen kann, dass es gut neben der Eingeweide- und Blut-Kunst der Wiener Aktionisten bestehen, also auch in jede Galerie passen würde. Wie sehr würde ich mir mehr warnende Eindringlichkeit auch bei Weinen wünschen. Hier herrscht Nachholbedarf, hier müssen mehr Informationen her über die Konsequenzen des Weintrinkens. Wir brauchen eine Kommission, eine Art Wein-FSK, die Weinetiketten endlich mit Warnungen oder wenigstens Empfehlungen bedruckt. Das sieht auch auf braunen Papiertüten gut aus. Man könnte ein großformatiges Bild darauf zeigen von jemandem, dem nach einer Vernissage/Messe/Firmenparty/Weihnachtsfeier so richtig übel ist. Und bei Weinen, die wirklich gut sind, wäre eine Warnung ebenfalls günstig. »Do not drink! Do not buy! Watch all men!« müsste darauf stehen, falls der Kauf einer Flasche in die Nähe einer Privatinsolvenz führte. Das ist, haben eigene Recherchen ergeben, schnell der Fall bei Männern über fünfunddreißig. Wenn sie auf einmal nach vielen Jahren des Biertrinkens entdecken, dass sie im tiefsten Innern schon immer Weinsammler waren. Ich habe mir extra meinen Zeige finger manikürt, um zu warnen: Denn so ein Weinsammler-Coming-Out kann sehr, sehr teuer werden. > 138 F I N E 3 / 2011
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