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FINE Das Weinmagazin - 03/2011

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: CHATEAU HAUT-BRION

Wo alles begann: In der

Wo alles begann: In der Ribera del Duero, beim Dörfchen Pesquera, gründete Fernández sein erstes Weingut. Es trägt den Namen des Dorfes. El Loco wird er genannt, der Verrückte, und auch wenn er schon neunundsiebzig Jahre alt ist und kaum mehr als einhundertsechzig Zentimeter misst, muss man auf der Hut vor ihm sein. Entschlossen drückt er zur Be grüßung die Hand und grinst verschmitzt. Bereit, jeden zu veralbern mit seinen Späßen. Alejandro Fernández ist eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten in der spanischen Weinszene. El Loco ist nur eine Seite von ihm: Fernández wird auch als Rey del Tempranillo verehrt, als König des Tempranillo. Seinen Geburtsort Pesquera, ein unbekanntes Dörfchen in Kastilien am Ufer des Flusses Duero, hat er auf den Land karten der Wein-Aficionados verewigt. Er ist Herr über den Grupo Pesquera, über vier Weingüter: Pesquera, Condado de Haza, Dehesa La Granja und El Vínculo, die auf achthundert Hektar beinahe zweieinhalb Millionen Flaschen Wein im Jahr erzeugen. Der Name Fernández steht für einige der begehrtesten Weine der Welt. 54 F I N E 3 / 2011

Alejandro Fernández hat einen Aufstieg hingelegt, als ob er jeden Tag mehrere Sternschnuppen gesehen und ihm alle Wünsche erfüllt worden wären. Er hat sich als Selfmademan einen Galaplatz in der iberischen Weinaristokratie erobert. Viele bewundern ihn dafür, manche neiden ihm den Erfolg. Überall werden kuriose Geschichten von ihm erzählt. Um Konventionen hat er sich selten geschert. Seine Meinung sagt er auch denen, die sie nicht hören wollen. Im katholisch-konservativen Spanien hat er Skandale ausgelöst, als er im Fernsehen über die Potenz fördernde Wirkung seiner Weine schwadronierte. Fernández kann ein Kauz sein. Es kommt vor, dass er seine Glatze mit seinem berühmten Tinto Pesquera einreibt. Der, so behauptet Fernández, besser gegen Sonnenbrand schütze als jede Sonnencreme. Bei einer Verkostung in London, wo es am Tisch stocksteif und etepetete zuging, fing er einfach an zu singen. Zur Melodie von Quantanamera: Tinto Pesquera, wir wollen Tinto Pesquera. Zunächst wurden in der erlesenen Gesellschaft Nasen gerümpft, irgendwann haben fast alle mitgesungen. Fernández, der nur spanisch und mit den Händen spricht, hatte die Weißkragen eingewickelt mit seinem rustikalen Charme. Bei aller Exzentrik, die Fernández sich leistet, ist er ein einfacher Mann vom Land geblieben. Er hat immer härter und länger gearbeitet als andere. Das zeigt auch sein zerfurchtes Gesicht, in dem neben Lachfalten auch Entbehrungen ihre Spuren hinterlassen haben. Gegen Widerstände ankämpfen, sich durchboxen: Das ist ihm zur Gewohnheit geworden. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Schul bildung hat er kaum genossen, mit dreizehn musste er schon arbeiten wie ein Erwachsener. »Ich musste mein eigenes Brot verdienen, wenn ich nicht hungern wollte«, sagt er. Als Tagelöhner schuftete er in der Landwirtschaft, die Erde pflügte er noch mit Eseln. Der einzige Beruf, den er jemals erlernte, war der des Zimmermanns. Nichts deutete darauf hin, dass dieser Campesino, dieser besitzlose Landarbeiter, zu den größten und erfolgreichsten Weingutsbesitzern Spaniens aufsteigen würde. Aber Fernández verfügt über reichlich Intuition, er trifft immer wieder die richtigen Entscheidungen, auch wenn es zunächst nicht danach aussieht. Er wusste, dass die Bauern in der Franco-Diktatur mit primitiven Maschinen schuften mussten. Die Landwirtschaft musste dringend modernisiert werden. Nach Feierabend konstruierte er die erste mechanische Zuckerrüben-Erntemaschine, für die er noch immer das Patent hält. Er tüftelte mehrere Jahre, bis sie so funktionierte, wie er sich das vorstellte. Mit dem Verkauf von Landmaschinen wollte Fernández zu Geld kommen, um sich seinen F I N E S p a n i e n 55

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