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FINE Das Weinmagazin - 03/2011

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: CHATEAU HAUT-BRION

HIER SPRICHT DER PINOT

HIER SPRICHT DER PINOT NOIR DEUTSCH Warum der Spätburgunder in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol zu einem glorreichen Klassiker wurde Text: Stuart Pigott Fotos: Christof Herdt Diese Verkostung war tatsächlich groß und das in mehrerer Hinsicht. Horizontale Verkostungen der besten Spät burgunder aus dem deutschen Sprachraum, auch Blauburgunder, Pinot Nero und Pinot Noir genannt, hat es schon reichlich gegeben. Das selbe gilt für vertikale Verkostungen. Doch eine Vergleichsverkostung wie die vom 14. Juni 2011 auf dem Weingut Fürst in Bürgstadt/Franken, mit mehreren Jahrgängen der gleichen Spitzenweine aus Deutschland, Österreich, Italien (Süd tirol) und der Schweiz, horizontal und vertikal zugleich, das gab es noch nie. Das war keine leichte, aber eine ungemein spannende Auf gabe sowohl für die anwesenden Winzer als auch für mich als Berichterstatter: Endlich eine Gelegenheit, Schlüsse zu ziehen, statt nur nach dem besten Wein eines Jahrgangs oder dem besten Jahrgang eines Erzeugers zu suchen. Aber ehe wir uns der Verkostung zuwenden, sind einige Dinge zu klären, allen voran die Bedeutung der Traubensorte. Spätburgunder ist eine sehr alte Sorte, deren Geschichte bis ins frühe Mittelalter zurückreicht. Seit dieser Zeit wird sie in einigen der heutigen Weinbau gebiete des deutschsprachigen Raums an gebaut. Mit 11,5 Prozent der Gesamtrebfläche spielt sie eine besonders große Rolle in Deutschland (Platz Drei in der Weltrangordnung hinter Frankreich und den Vereinigten Staaten), aber auch in Österreich, der deutsch sprachigen Schweiz und Südtirol ist sie eine sehr wichtige Spezialität im oberen Marktsegment, weitaus bedeutender, als die allgemeine Statistik vermuten lässt – und das, weil eben der Spätburgunder auch die Spitzen­ Pinot­ Noirs der Bourgogne hervorbringt (Stichwort Romanée­ Conti Grand Cru mit vierstelligem Flaschenpreis), deren Nimbus kaum glorreicher sein könnte, obgleich die Sorte laut Genanalyse eine Zufalls kreuzung zwischen dem bescheidenen Pinot Meunier/ Schwarz riesling und dem meist verpönten Traminer ist. Jahrzehntelang – zwischen 1960 und 1990 – war es um den Spätburgunder ganz anders bestellt: ein dunkles Zeitalter für diesen Wein – die Konsu menten zeigten kein Interesse, die Erzeuger taten sich mit kurzsichtiger Rationalisierung in Weinberg und Keller schmählich hervor. Damals waren diese Rotweine tendenziell sehr hell farbig, dünn und kalt, also säuerlich oder gar süß­ sauer. Erst im Lauf der achtziger Jahre begann eine Gruppe von ehrgeizigen Winzern, ernsthaft zu experimentieren, um Spätburgunder zu erzeugen, die mit den besten aus dem Burgund mithalten sollten. Die wichtigsten Schritte dabei waren eine drastische Ertragsreduzierung (zur richtigen Zeit, sonst geht der Schuss nach hinten los!), der optimale Lesezeitpunkt (um Frische und Frucht zu bewahren), eine Maischegärung ohne Erhitzung (oft wird am Anfang sogar stark gekühlt) und eine lange, ruhige Reifezeit im Barriquefass (aber nicht zuviel Geschmack davon im fertigen Wein). Paul Fürst gehörte zu dieser Gruppe der Pioniere. Wie manche seiner Kollegen hat er seit seinem ersten Volltreffer-Jahrgang 1990 viel vom Burgund und von Pinot-Noir-Erzeugern in anderen Ländern gelernt. Er und seine Mitstreiter wollen nicht kopieren, sondern ihre ganz eigenen Wege gehen. Das passt zur französischen Grundtheorie, Pinot Noir könne besser als jede andere blaue Traubensorte das Terroir, also die Besonderheiten der Herkunft, im Glas zum Ausdruck bringen. Wenn das stimmt, dann ist ein Spätburgunder, der wie ein Pinot Noir 26 F I N E 3 / 2011

Stuart Pigott bei konzentrierter Arbeit: »Endlich eine Gelegenheit, Schlüsse zu ziehen.« aus Burgund schmeckt, ein bloßer Blender. Er muss vielmehr, laut Theorie, seinen ganz eigenen Geschmack haben. Zu den Fragen, die diese Verkostung beantworten sollte, gehörte natürlich, ob es solch einen Terroir-Geschmack beim Spätburgunder gibt: Lassen sich Burgenland, Südtirol oder Rheingau blind erschmecken Noch fundamentaler war die Frage, ob jeder Erzeuger eine eigene Stilistik entwickelt hat, die über die Jahre zuverlässig zum Tragen kommt, oder ob dies alles noch im Fluss ist. Und natürlich hing während der gesamten Verkostung auch die unausgesprochene Frage in der Luft – davon gibt es viel im neuen Verkostungsraum des Weinguts Fürst! –, wie die Weine den Vergleich mit der Konkurrenz aus dem Burgund bestünden. Die ließ sich nur bedingt beantworten, weil FINE nicht darauf aus war, die Siegerweine des neuen Jahrgangs zu küren. Der exzellente Spätburgunder-Jahrgang 2005 war der erste aus einem glanzvollen Trio mit 2007 und 2009. Wenn wir in ein paar Jahren eine Vergleichsprobe zwischen den deutschen und burgundischen Gewächsen dieser drei Jahrgänge veranstalten können, werden wir diese Frage vollständig beantworten. Es lässt sich aber auf alle Fälle sagen, dass die besten deutschsprachigen Erzeuger mit dem 2005er ihren burgundischen Kollegen auf Augenhöhe begegnen. Viele Verkoster konnten sofort bestimmte Terroir-Richtungen erschmecken. Mit ihren Schwarze­ Johannisbeer- und Veilchen noten etwa sind die Assmannshäuser Gewächse leicht zu erkennen. Ähnlich war es mit den Weinen von der Ahr dank ihrer oft aus geprägten Kräuter aromen und ihrer eher schlanken Art. Kalk böden wie im badischen Markgräflerland oder in manchen Ecken der Pfalz führen hingegen tendenziell zu vollen, runden Weinen mit betont herben Tanninen. Wenn die Lagenunterschiede in der Bourgogne noch deut licher auffallen, darf man nicht vergessen, dass die Appellation­ Contrôlée-Gesetze manche der alten burgundischen Anbaumethoden, wie die Pflanz dichte zur Zeit der Bewirtschaftung mit Pferden, »eingefroren« haben. Hinzu kommt, dass zwar auch Burgund während der 1970er und frühen 1980er Jahre schwierige Zeiten durchmachte, aber keinen vollständigen Bruch in der Rotwein­ Tradition erlebte, wie dies in den deutsch sprachigen Weinbaugebieten der Fall war. Aber genau dieser Bruch ist der Grund, warum das, was wir am 14. Juni zu schmecken bekamen, eine so großartige Leistung ist. Das haben alle diese Winzer allein und aus dem Stand geschafft! F I N E T a s t i n g 27

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